Es macht mich traurig, ich kann es nicht begreifen und doch ist es nicht zu übersehen: die Tendenz, Hunde „gehorsam“ zu machen, indem man ihnen Schmerzen zufügt und/oder sie erschreckt, ist hierorts steigend.

 

Tierschutz für den eigenen Hund?

Wir spenden für den Tierschutz, wie unterschreiben Tierschutzpetitionen und entrüsten uns über Massentiertransporte. Und doch misshandeln wir unsere Hunde. Natürlich nicht wir alle, aber doch etliche von uns, zu viele jedenfalls. Wie passt das zusammen, frage ich mich.

 

Hundewissen zum Nulltarif

Wir wissen so viel über Hunde, wie niemals zuvor. Es gibt SpezialistInnen unterschiedlichster Fachrichtungen, die sich mit dem Haushund, seinem Gefühlsleben, seiner Art zu lernen und zu kommunizieren wissenschaftlich auseinandersetzen. Die Lerngesetze sind nicht nur hinlänglich erforscht, sie werden auch weitläufig kommuniziert. Eine immer größer werdende Zahl an Menschen findet Gefallen an modernen, gewaltfreien und kooperativen Trainings- bzw. Ausbildungsmöglichkeiten und legt Wert auf einen freundlichen Umgang mit ihrem vierbeinigen Hausgefährten.

 

„Der Geist der Gewalt ist so stark geworden, weil die Gewalt des Geistes so schwach geworden ist“ Leonhard Ragaz

Die Möglichkeiten, an all das vorhandene Hundewissen anzudocken, sind wirklich großartig, nicht zuletzt dank des Internets, das uns sogar fantastische Trainingsanleitungen schriftlich oder per Video zur Verfügung stellt. Niemals zuvor war es so einfach, gute Literatur zu finden oder sich online über modernes Hundetraining zu informieren. Doch offenbar gelingt es nicht, dieses Hundewissen flächendeckend zu verteilen. Wer es sich nicht aktiv abholt, den erreicht dieses Wissen offensichtlich nicht.

Die Freundlichen – und die anderen

Und so gibt es unübersehbar 2 Lager: die an freundlichem Umgang, Wissen und Weiterbildung interessierten HundehalterInnen auf der einen Seite. Und die VertreterInnen von Rudelgedöns und Alphaverrenkungen auf der anderen Seite. Wobei Letzteren sowohl ein deutlicher Mangel an Empathie und Einfühlungsvermögen unterstellt werden kann, als auch eine erstaunliche Wurstigkeit in Sachen Straftat.

 

Gerade bei Veranstaltungen für HundehalterInnen fällt diese Zweiteilung der Hundegesellschaft deutlich auf. Nicht nur, dass es an den Zubehörständen immer noch wesentlich mehr liebevoll gestaltete Hundehalsbänder als Hundebrustgeschirre gibt, wer sehenden Auges die BesucherInnen mit ihren Hunden beobachtet, braucht ganz schön Nerven. Wobei tatsächlich mehr Hunde als früher ein Brustgeschirr tragen, wenn auch nicht immer ein gutsitzendes. Clicker und Futterbeutel kann man immerhin käuflich erwerben, Hundekekse (von ganz normal bis antiallergisch, gluten- oder sonstwasfrei) sind ohnehin ein Bestseller.

 

So spannend solche Veranstaltungen für die Menschen sind, so mühsam sind sie für die allermeisten Hunde. Da werden kleine und kleinste Hunde zwischen all den vielen Füßen durchgeschleppt, immer der Gefahr ausgesetzt, getreten und verletzt zu werden. Große Hunde zwingt man unter eklatanter Unterschreitung ihrer Individualdistanz durch die Menge und lässt frontale Begegnungen ebenso ungefiltert zu wie das Antatschen durch fremde Menschen. Das mag noch alles als gedankenlos und wenig rücksichtsvoll durchgehen. Kommt dann noch dazu, dass die völlig überforderten Hunde, die in ihrer Nervosität nicht turniermäßig bei Fuß gehen (können), permanent geruckt und gerissen werden, dann geht das weit über Gedankenlosigkeit hinaus.

Sind dann noch Utensilien wie Würgehalsbänder (ohne Stopp) oder gar Stachelhalsbänder mit im Spiel, geht es um vorsätzliche Grausamkeit und Verstoß gegen das Tierschutzgesetz.

Es ist Ihre Verantwortung

Wenn Sie erkennen, dass Ihr Hund völlig überfordert ist, und mit Verständnis darauf reagieren, können Sie ihm ganz einfach helfen: Distanz schaffen, Abschirmen, Entschleunigen, auf vertraute Rituale zurückgreifen – um nur einige Möglichkeiten zu nennen. Doch das setzt Ihrerseits die Bereitschaft voraus, hinzuschauen und anzuerkennen, dass Ihr Hund keine Maschine ist.

Leider passiert oft das Gegenteil, der Hund bekommt nicht nur KEIN Verständnis, sondern im Gegenteil noch eine übergebraten. Ja zum Teil tatsächlich tätlich. Den Hund mit der Hand zu schlagen, gilt zwar inzwischen als unfein, ihm die Leine überzuziehen oder ihn mit irgendetwas zu bewerfen, wird dagegen gerade wieder „stadtfein“.

Was für eine peinliche Vorstellung: ein erwachsener Mensch bewirft seinen Hund mit Gegenständen, weil er/sie nicht fähig ist, das Tier richtig zu erziehen!

 

Jeder Wurf ein Treffer

Der Begriff „Gegenstände“ ist dabei durchaus dehnbar. Von eigens dafür konstruierten Seltsamkeiten wie Wurfketten oder Wurfdisks bis zu zweckentfremdeten Alltagsgegenständen wie Schlüsselbunden – die Liste der Wurfgeschosse ist lang. Und ja, auch ein Taschentuchpackerl ist ein Wurfgeschoss, das nicht nur für Erschrecken, sondern auch für Schmerz und sogar für Verletzungen sorgen kann. Wenn ein Chihuahua zum Beispiel ein solches auf den Kopf bekommt, kann das sein Todesurteil sein – vollstreckt von der Hand der HundehalterIn – was für eine schreckliche Vorstellung.

 

„Gewalt bringt keine Pflanze zum Wachsen. Sie reißt höchstens ihre Wurzeln auf“ Walter Ludin

Was bringt Menschen dazu, den Hund, den sie sich voller guter Absichten in ihr Leben geholt haben, derartig zu behandeln? Wieso bringt man seinen Hund bewusst in eine Situation, der er nicht gewachsen ist, um ihn dann durch Zufügen von Schmerzen soweit gefügig zu machen, dass er nicht mehr „unangenehm auffällt“?

 

Offensichtliche Gewalt

Erschüttert bin ich auch über die Unverblümtheit, mit der das geschieht. Da wird nicht verschämt geruckt und gewürgt, sondern völlig unverhohlen. Da wird das verbotene Stachelhalsband nicht einmal alibihalber von Stoff oder Leder verhüllt, sondern frank und frei zu Schau gestellt.

 

Noch einmal in aller Deutlichkeit: Die Verwendung von Würgeschlaufen, Stachelhalsbändern und dergleichen ist strafbar.
Verboten.
Gesetzeswidrig.

 

Ich freue mich redlich über viele kleine Erfolge, die unser aller Aufklärungs- und Informationsbemühungen bringen. Ich lächle vergnügt vor mich hin, wenn ich irgendwo ein Mensch-Hund-Team beim Click „ertappe“. Ich nehme erfreut zur Kenntnis, wenn der Vierbeiner achtsam beiseite geführt wird, damit er nicht in Bedrängnis gerät. Ich könnte jubeln vor Freude, wenn mir HundehalterInnen berichten, wie sich ihr Blick auf den Familienhund durch die positive Bestärkung verändert hat. Und ich glaube fest daran, dass Menschen lernfähig und bereit dazu sind, sich weiter zu entwickeln – auch wenn mir das nach so einer Veranstaltung nicht ganz so leicht fällt, wie sonst.

 

Bleiben Sie fair und achten Sie gut auf Ihren Hund.

Herzlichst

Eure und Ihre

Karin Immler

 

 

Keinen Blogartikel mehr verpassen!