Kooperation ist eine wunderbare Sache und enorm wirkungsvoll. Auch Umgang mit unseren Hunden gilt „Zauberwort Kooperation – Zwang ist out“. Wenn nämlich zwei (oder mehr) an einem Strang ziehen, dann geht richtig was weiter. Allerdings funktionieren Kooperationen langfristig nur dann wirklich gut, wenn alle Beteiligten davon profitieren. Und das gilt nicht nur für Kooperationen unter Menschen, sondern auch für die Kooperation zwischen Ihnen und Ihrem Hund.
Miteinander statt gegeneinander
„Es braucht zwoa allweil zwoa, weil oana alloa konn nit vü toa. Drum brauchts zwoa, oiweil zwoa, weil zwoa weniger oan, des is scho alloan“ Die Seer
„Es braucht zwoa allweil zwoa, weil oana alloa konn nit vü toa. Drum brauchts zwoa, oiweil zwoa, weil zwoa weniger oan, des is scho alloan“ Die Seer
Das moderne Tiertraining hat den Begriff Kooperationssignale in Umlauf gebracht. Dabei kommen die Kooperationssignale ursprünglich aus dem Zootier-Bereich. Da hat sich offenbar schneller als im Hundetraining herumgesprochen, dass Zwang nicht die Lösung ist. Niemand käme auf die Idee, zu glauben, man könne einen Tiger oder ein Zebra einfach irgendwie festhalten, wenn die Krallen gekürzt, die Hufe behandelt oder Impfungen verabreicht werden müssen. Bei Hunden dagegen hört man immer wieder „der soll sich nicht so anstellen!“ und dann wird der sich windende oder vor Schreck erstarrte Hund einfach in den Schwitzkasten genommen – ungeachtet, wie lausig das Tier in dem Moment fühlt.
Einer Situation hilflos ausgeliefert zu sein, ist ein furchtbares Gefühl – auch für Hunde.
Und genau da setzt ein Kooperationssignal an. Ein Kooperationssignal gibt dem Tier ein Mitspracherecht und damit die Möglichkeit, eine Situation aktiv mitzugestalten, mitzureden sozusagen.
Mich erinnert das immer an eine Begebenheit aus meiner Kindheit. Meine Oma war eine gute Schneiderin und sehr geschickt darin, Kleidung anzupassen oder zu ändern. Leider musste sie dazu auch „stecken“. Das bedeutete, ich muss mich auf den Tisch stellen und sie ging mit den Stecknadeln zu Werke. Ich habe das gehasst! Sie hat mich natürlich auch hie und da gepiekt und auf dem Tisch zu stehen, war sowieso unangenehm. Also gab es – meine Oma war eine kluge Frau – eine klare Vereinbarung. „Du sagst, wenn es dir zu viel wird. Dann machen wir Pause!“ Und daran haben wir uns gehalten. Oma hat Pause gemacht und mich vom Tisch geholt, wenn ich darum bat. Und ich habe stillgehalten und nicht gejammert – so lang es für mich ging -, weil ich ja wusste, ich könnte jederzeit eine Unterbrechung veranlassen.
„Und das funktioniert unglaublich gut mit diesen Tieren, die sich so heftig zur Wehr setzen müssen, weil sie sich nicht gehört fühlen. Wenn sie merken, dass sie gehört werden, dann ist es wunderschön zu sehen“ Andrea Campa
„Und das funktioniert unglaublich gut mit diesen Tieren, die sich so heftig zur Wehr setzen müssen, weil sie sich nicht gehört fühlen. Wenn sie merken, dass sie gehört werden, dann ist es wunderschön zu sehen“ Andrea Campa
Auf die selbe Weise funktionieren Kooperationssignale auch bei unseren Hunden. Wir geben ihnen damit ein wertvolles Instrument der Selbstermächtigung in die Hand bzw. in die Pfote. Wenn Ihr Hund lernt (und erlebt), dass er verbindlich „bitte Pause“ einfordern kann, gibt ihm das tatsächlich Kraft und Vertrauen, eine Weile durchzuhalten und mitzumachen. Zum Beispiel ungeliebte Köperpflegemaßnahmen.
Natürlich geht das nicht von heute auf morgen, schon gar nicht bei einem Hund, der schon schlechte Erfahrungen gemacht hat – bei der TierärztIn oder im Hundesalon. Es dauert schon ein Weilchen, bis ein solcher Hund wieder Vertrauen entwickelt. Aber es ist machbar.
Zauberwort Kooperation
Mithilfe eines Kooperationssignals erhält der Hund ein Mitspracherecht und kann Ihnen deutlich signalisieren. „jetzt kannst du beginnen“. Genauso deutlich – und das ist noch viel wichtiger – zeigt Ihr Hund „hör‘ jetzt auf!“ Sie und Ihr Hund treffen sozusagen eine Vereinbarung, die eine verbindliche Garantie enthält: Ihr Hund kann sich fest darauf verlassen, dass Sie sofort reagieren und die Behandlung einstellen, wenn Ihr Hund das möchte.
Interessant dabei ist, dass die Tiere diese Möglichkeit zur Unterbrechung bzw. Beendigung einer Behandlung recht wenig nützen, wenn sie das Konzept erst einmal verstanden haben.
Ich bin manchmal wirklich betroffen, wie gedankenlos manche Menschen es abtun, dass ihr Hund sich wehrt und windet, wenn er gekämmt, gebürstet, verarztet werden soll. Natürlich braucht es Zeit, aber auf die Lebensjahre eines Hundes gesehen, sollte sich der Trainingsaufwand doch wirklich auszahlen. Ganz abgesehen davon, dass es ja auch für Sie angenehmer ist, wenn Ihr Hund kooperiert und freiwillig mitmacht, anstatt sich aus Leibeskräften zu wehren.
Den Zwang ersetzt die helfende Hand
Als Thesaurus für Kooperation findet sich der Begriff „helfende Hand“. Das ist ein sehr schönes Bild für diese Art von Training, den es ist wirklich ein äußerst hilfreiches Instrument und vermittelt Ihrem Hund ein Gefühl von Sicherheit, genau wie uns eine helfend gereichte Hand.
Beim Tierarzttraining, auch Medical Training genannt, bilden die Kooperationssignale neben Gewöhnung an Gerüche, Geräusche und Geräte, einen wichtigen Teil der Kurse und Schulungen. Immer mehr TierärztInnen gestatten Trainingsbesuche in ihrer Ordination, sodass Ihr Hund die Räumlichkeiten, die Angestellten und im Idealfall auch den Tierarzt, die Tierärztin ganz harmlos und unverfänglich kennenlernen kann. Schon mit Ihrem Welpen können Sie solch unverbindliche Besuche in der Ordination Ihres Vertrauens mit ins Programm aufnehmen, damit der Welpe gute Gefühle und Erfahrungen damit in Verbindung bringt.
Es geht nicht nur um die tierärztliche Behandlung, auch im privaten Alltag gibt es viele Maßnahmen, die von einer guten Zusammenarbeit zwischen Mensch und Hund profitieren. Körperpflege, also Kämmen, Bürsten (auch an ungeliebten Stellen), Zahnpflege, Zecken entfernen – für viele Hunde ein fürchterliches Drama. Dazu kommt, dass fast jeder Hund im Laufe seines Lebens irgendwann Augen- oder Ohreneintropfen, Krallenschneiden oder die Versorgung einer Wunde durchstehen muss. Selbst für das Anlegen von Brustgeschirr oder Hundemantel kann es sich so ein Kooperationssignal als äußerst sinnvoll erweisen.
Mit Barbara Glatz vom Animal Training Center und der Wildtiertrainerin Andrea Campa habe ich vor einiger Zeit eine Radiosendung über Tierarzttraining und Kooperationssignale gemacht, die Sie hier nachhören und hier nachlesen können.
Kooperation in schwierigen Situationen
Möglichkeiten für Kooperationssignale gibt es viele. Hier ein paar Ideen:
- Kopf auf ein Target (ein Ziel, beispielsweise ein Topflappen, ein kleines Kissen oder Brettchen) ablegen. Sobald der Hund den Kopf hebt, ist Pause.
- Mit den Vorderpfoten auf ein Target stellen. Sobald der Hund das Target verlässt, ist Pause.
- Auf die Seite legen – auch den Kopf. Sobald der Hund den Kopf hebt oder aufstehen möchte, ist Pause.
- Eine Pfote auf ein Target legen. Sobald die Pfote das Target verlässt, ist Pause.
- Auf eine Stange beissen und so den Zugang zu den Zähnen gewähren. Lässt der Hund die Stange los, ist Pause.
Natürlich muss ein solches Signal erst einmal alleinstehend gut geübt werden. Dann werden nach und nach die Bewegungen und Berührungen mit ins Spiel gebracht. Mit ein wenig Geduld werden Sie erstaunliche Ergebnisse erzielen.
Wichtig dabei ist, dass Sie wirklich auf Freiwilligkeit setzen. Wenn Sie ein Kooperationssignal aufbauen möchten, dann ist das kein „Kommando“, sondern eine Einladung. Nimmt Ihr Hund diese Einladung nicht an, ist das in Ordnung.
- Selbstbestimmung gibt Sicherheit
- Mut durch Freiwilligkeit
- Deutliche 2-Wege-Kommunikation
- Das Tier DARF JEDERZEIT unterbrechen – GARANTIERT!
- Miteinander statt gegeneinander
Wer der Meinung ist, der Hund müsste alles aushalten und hinnehmen, weil er eben ein Hund ist – und damit dem Menschen untertan -, der wird vermutlich mit den Kooperationssignalen keine große Freude haben. Wer dagegen auf Teamwork und netten Umgang setzt und sich in der Rolle der vertrauenswürdigen Bindungsperson wohlfühlt, für den sind die Kooperationssignale eine wertvolle Ergänzung im Werkzeugkasten der freundlichen Hundeerziehung.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gute Zusammenarbeit mit Ihrem Hund und verabschiede mich mit den Seern und „Es braucht zwoa“
Eure und Ihre
Karin Immler
NS: Falls Sie auf der Suche nach einer geeigneten Referentin für einen Vortrag oder ein Seminar zum Thema „Kooperation, Handling und Medical Training“ sind, würde ich mich über eine Nachricht freuen. Ein umfangreicher Onlinekurs zum Thema ist in Vorbereitung.
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