Wenn ein Welpe einzieht, ist nichts mehr wie es vorher war. Selbst wenn Sie davor schon Hunde hatten, ein Welpe verändert alles. Schon die Vorfreude ist etwas ganz Besonderes, die Vorbereitungen auf den Tag X und die Pläne und Ideen, was man alles mit dem Hundebaby unternehmen wird. Nicht zu vergessen: das Einkaufen für das Hundekind! Und dann ist er da, der Fellzwerg, und stellt erst einmal alles auf den Kopf. Was für eine aufregende Zeit!
Nun liest man allerorten, wie wichtig es ist, die Welpenzeit optimal zu nutzen, denn schließlich hat Mutter Natur ja für ganz bestimmte Lernerfahrungen nur ganz bestimmte Zeitspannen vorgesehen. Was an und für sich ein guter Plan zum Heranwachsen ist, mutiert leider in vielen Fällen zum Lern – und Sozialisationsmarathon.
Und damit geht der Schuss nach hinten los, denn Erwachsenwerden braucht vor allem Zeit. Zeit zu beobachten, Zeit auszuprobieren, Zeit vor sich hin zu träumen und vor allem Zeit, Erlebtes und Erlerntes zu verarbeiten. Denn schließlich soll man als erwachsener Hund ja auch darauf zurückgreifen können.
Trainingsplan „Heranwachsen“
„Menschen meinen, sie müssten dem Hund Gehorsam beibringen. Was für ein Irrtum!!! Vertrauen, Aufmerksamkeit, Verlässlichkeit, Verständnis. Und der Rest ergibt sich von alleine“ Eva Zaug
„Menschen meinen, sie müssten dem Hund Gehorsam beibringen. Was für ein Irrtum!!! Vertrauen, Aufmerksamkeit, Verlässlichkeit, Verständnis. Und der Rest ergibt sich von alleine“ Eva Zaug
Gerade NeuhundebesitzerInnen, die sich sehr gründlich auf das neue Familienmitglied vorbereiten, tappen mitunter in diese Falle. Denn schließlich will man alles richtig machen, der eigene Anspruch ist hoch – der der Umwelt mitunter noch höher. Also brauchen Sie einen Trainingsplan? Nicht wirklich, denn zunächst einmal geht es darum, das Hundebaby und den Alltag unter einen Hut zu bringen. Natürlich ist es wichtig, dass sein Hund sich benehmen kann. Natürlich ist es wichtig, dass er gewisse Signale zuverlässig ausführt. Aber ist das tatsächlich das Wesentliche?
Manchmal tut es mir beinahe weh, mit welcher Verbissenheit frischgebackene Hundeeltern irgendwelche Kommandos einüben wollen, und dabei völlig übersehen, worum es in diesem sensiblen Lebensabschnitt tatsächlich geht.
Welches Weltbild soll Ihr Welpe haben?
Denn jetzt entscheidet sich, welches Weltbild Ihr Fellzwerg entwickelt. Viele frischgebackene WelpenbesitzerInnen sind sich nicht darüber im Klaren, dass ihre Hauptverantwortung darin liegt, dieses Weltbild entsprechend zu gestalten. Ist die Welt ein freundlicher Ort oder muss man überall auf der Hut sein? Sind Menschen grundsätzlich nett oder eine potentielle Gefahr? Ist Futter reichlich vorhanden oder muss ich darauf aufpassen? Kann ich mich darauf verlassen, dass mein Mensch da ist oder reicht 1 Minute der Unaufmerksamkeit und er ist verschwunden? Wenn Sie möchten, dass ihr Hund die Welt als einen angenehmen und sicheren Ort einschätzt, dann sorgen Sie dafür, dass er sie so erlebt. Wenn Sie möchten, dass Ihr Hund Kinder grundsätzlich für nett und ungefährlich hält, dann verhindern Sie unbedingt, dass er Kinder als übergriffig und bedrohlich erlebt.
„Sitz“, „Platz“, „Fuß“ – oder leben lernen
Natürlich muss Ihr Kleiner auch mit Herausforderungen fertig werden und ein gewisses Maß an Frust ertragen lernen, aber ganz allmählich und in kleinen Dosen. Was Ihr Welpe wirklich lernen muss, ist nicht Sitz oder Platz. Nicht, dass das nicht auch sinnvolle Übungen wären, so meine ich das nicht, aber die Grundlage Ihres harmonischen Zusammenlebens sind andere Dinge.
We are family
Familienanschluss zum Beispiel. Ihr Welpe sollte die Erfahrung machen. dass er Teil einer sozialen Lebensgemeinschaft ist, in der man aufeinander eingeht. Innerhalb einer solchen Lebensgemeinschaft lernen wir, die Befindlichkeiten des anderen zu erkennen und zu respektieren. Das Hundekind darf die Erfahrung machen, dass ihm Hilfe zuteilwird, wenn es sie braucht, dass die eigenen Not erkannt wird und jemand da ist, der es „an der Hand nimmt“, wenn es Angst hat.
„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ Hermann Hesse
„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ Hermann Hesse
Wenn sich eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Ihnen entwickeln darf, dann ist das eine wunderbare Voraussetzung dafür, dass der Welpe „nach außen“ gehen und die Welt kennenlernen kann. Sozusagen mit der Sicherheit Ihrer Beziehung als Rückendeckung. Ausprobieren, experimentieren, Fehler machen und korrigieren können, das alles sind wichtige Aspekte des Heranwachsens. Macht ein Welpe die Erfahrung, dass es lebensgefährlich sein kann, Fehler zu machen (weil man dann im Genick gepackt und womöglich geschüttelt wird), dann wird er in seinem Erkundungsverhalten deutlich gehemmt sein.
Familienoberhaupt vs. Haustyrann
Es ist nicht notwendig, dass Sie als Familienoberhaupt permanent Ihre Vormachtstellung deutlich machen. Womöglich mit allerhand aggressiven Ritualen. Darum geht es nicht! Ein gutes Familienoberhaupt ist fürsorglich und vorsorglich und keinesfalls kleinlich. Ein gutes Familienoberhaupt gibt Sicherheit und sorgt dafür, dass keine groben Pannen passieren können.
Macht Ihr Welpe wiederholt die Erfahrung, dass Sie seine Not nicht erkennen und ihn genau dann sich selbst überlassen, wenn er in Bedrängnis ist, dann wird das sein Weltbild prägen. So kann es zum Beispiel sein, dass Ihr Kleiner völlig überfordert ist, wenn rund um ihn herum gespielt und getobt wird. Je nach Typus und Individuum braucht er vielleicht Zeit, um sich erst einmal zu orientieren und die andern Akteure einzuschätzen. Tut er dies aus der sicheren Deckung zwischen Ihren Beinen heraus, dann kann er selbst entscheiden, wann es soweit ist – und sich unter die spielenden Kameraden mischen. Wird ihm dieser Schutz verweigert oder wird er gar genötigt „mitzuspielen“, dann hat eine wichtige Lektion gelernt: Mein Mensch erkennt meine Verfassung nicht, mein Mensch hilft mir nicht, mein Mensch bringt mich sogar in eine richtig schlimme Situation. Alles keine vertrauensbildenden Maßnahmen.
Salto mit Netz
Wenn Ihnen wichtig ist, dass Ihr erwachsener Hund souverän und gelassen auch mit ungewohnten Herausforderungen umgeht, dann unterstützen Sie ihn dabei, diese Souveränität und Gelassenheit zu entwickeln. Um die Umwelt „mit Sicherheit“ zu erkunden braucht Ihr Hundekind eine vertrauensvolle Beziehung zu Ihnen, es braucht die Sicherheit, dass Sie da sind, wenn es brenzlig wird. Sicherheit ist ohnehin oberstes Gebot – die Sicherheit Ihres Hundekindes und alle anderen Beteiligten und Nicht-Beteiligten. Sozusagen Salto mit Netz. Sorgen Sie für die richtigen Rahmenbedingungen. Dazu gehört auch die entsprechende Dosierung. Es hat keinen Sinn, wenn Sie Ihren Welpen von einer Herausforderung zur nächsten jagen. Das Gehirn braucht Pausen, um Erlebtes zu verarbeiten und ein Welpe braucht sehr, sehr viel Schlaf. Nur wenn er wirklich ausreichend Schlaf und Ruhe hat, kann er Erfahrungen entsprechend einsortieren und später umsetzen.
Damit Ihr Hund aus den Herausforderungen, die der Alltag für ihn bereithält, die richtigen Lehren zieht, ist ebenfalls Ihre Unterstützung gefragt. Natürlich können Sie Ihr Fellzwergerl in eine Situation hineinstolpern lassen, hoffen, dass es gut geht, und wenn es das nicht tut, dann war es halt Pech. Gescheiter wäre es allerdings, von vornherein dafür zu sorgen, dass es gut geht. Markentraining ist da wirklich ein Geschenk des Himmels, denn mithilfe Ihres Markers können Sie selbst schwierige Situationen entschärfen. Voraussetzung ist, dass der Marker sauber konditioniert ist und Ihr Timing stimmt. Ihr Welpe lernt nämlich ohnehin die ganze Zeit, egal ob Ihnen das bewusst ist oder nicht.
Bitte bedenken Sie, es ist ganz und gar nicht selbstverständlich, dass Ihr Hund Radfahrer unbehelligt lässt, Müllautos ihn nicht beeindrucken und Katzen, Meerschweinchen oder Hühner keine jagdlichen Ambitionen wecken. Ganz im Gegenteil! Also tun Sie was dafür!
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Welches Verhalten lohnt sich?
Verhalten, das sich lohnt, wird verstärkt gezeigt! Ihr Welpe wird sehr vieles richtig machen ohne jemals eine Rückmeldung von ihnen zu erhalten. Schade! Denn mit Rückmeldung (Marker und Belohnung) steigt die Wahrscheinlichkeit deutlich, dass er dieses richtige Verhalten öfter zeigen und es dadurch zu seinem fixen Verhaltensrepertoire hinzufügen wird.
Also sind Sie gut beraten, wenn Sie Verhaltensweisen, die Sie für sinnvoll erachten, für Ihren Welpen lohnend gestalten. Das Belohnung dabei wesentlich mehr ist, als Kekse füttern, sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
Geben Sie Ihrem Welpen Zeit, sich in einer für ihn völlig neuen Welt – Ihrer Welt – zurechtzufinden, Regeln zu verstehen, die für ein Hundehirn vermutlich völlig unlogisch erscheinen, und zu dem Hausgenossen heranzuwachsen, den Sie sich wünschen.
Geduld, Freude und wunderbare Momente mit Ihrem Vierbeiner, wünscht Ihnen
herzlichst
Eure und Ihre
Karin Immle
Unterstützung auf dem Weg zum Dreamteam gibt es in Form der Welpen– und Junghundepakete.
Das Thema eignet sich auch ganz wunderbar für einen Vortrag. Wenn Sie einen solchen arrangieren möchten, freue ich mich über Ihre Kontaktaufnahme.
NS: Dieser Blogbeitrag ist Teil der Blogparade „Blogger-Online-Ratgeber für Welpen“
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Liebe Karin,
die Artikel sind wirklich toll und für zukünftige Welpenbesitzer sicherlich absolut wertvoll! Vielen Dank dafür, dass Du an meiner Blogparade teilnimmst 🙂
Liebe Grüße,
Nicole