„Geduld bringt Rosen“

so lautet ein alter Sinnspruch. Und der bewahrheitet sich – gerade auch im Zusammenhang mit unseren Hunden und dem Thema „Lebenslang belohnen“. Um Gelerntes zur Perfektion zu bringen, braucht es viele Wiederholungen. Ein Musiker beispielsweise, der ein Musikstück vortragen möchte, muss es oft und oft üben, bis die Finger sozusagen von alleine die richtigen Bewegungen machen, richtig greifen, streichen oder anschlagen. Es sind viel  Durchhaltevermögen und Motivation nötig, um dran zu bleiben.

 

In meine Hundeschule kommen Menschen aus unterschiedlichsten Gründen: manche besuchen einen der Grundlagenkurse, andere haben ein bestimmtes Problem – der Hund soll dieses tun und jenes lassen – und erhoffen sich von mir die Lösung bzw. zumindest den Lösungsansatz. In den meisten Fällen gelingt es uns gut, ein Trainingskonzept zu erstellen, das dann Schritt für Schritt umgesetzt werden soll. Schnell zeigen sich kleine Erfolge, der Mensch freut sich und der Hund auch. Denn er hat ja auch etwas davon, wenn sein Mensch sich freut.  Ja, und die Trainerin – also ich – freut sich auch. Sieht sie doch, dass der Trainingsansatz passt und aufgeht! Und dann kommt’s: „Ja, aber ich kann doch nicht immer/lebenslang/nicht bei jedem Schritt/nicht bei jedem Hund belohnen!“

 

Davon ist ja gar nicht die Rede! Aber selbst wenn – ich frage mich, warum die Vorstellung so schlimm ist. Ehrlich: Wie viele Hunde sehen wir, die tagtäglich – vermutlich lebenslang – an der Leine ziehen, begleitet (ebenfalls tagtäglich) vom Gezeter und Geschimpfe ihrer Menschen? Hier sei mir die Frage gestattet, ob es wirklich einfacher ist, ein Hundeleben lang einen leinezerrenden Hund auszuführen, als einen sauber an lockerer Leine gehenden Hund zu belohnen.

 

Lebenslang belohnen geht nicht,

aber lebenslang an der Leine rupfen schon?!

Ist es wirklich angenehmer, den Hund lebenslang mit gespannter Leine und Körperkraft davon abzuhalten, den nächsten Radler von seinem fahrbaren Untersatz zu holen? Oder wäre es nicht vielleicht gescheiter und auch dem Wohlbefinden des/der Hundehaltenden zuträglicher, bei Radlersichtung zu clicken und zu belohnen?

 

Die unendliche Geschichte

Ausdauer wird früher oder später belohnt – meistens aber später“ Wilhelm Busch

Es gibt genügend von diesen unendlichen Geschichten, in denen sich irgendein Missverhalten tatsächlich hält, solange der Hund lebt. Ich kenne etliche Mensch-Hund-Konstellationen mit solchen Endlosgeschichten- und Sie bestimmt auch. Irgendwie arrangieren sich beide damit. Doch wenn ich das auf eine Hundelebenszeit aufrechne, dann scheint mir eine Trainings-Investition von mehreren Monaten oder vielleicht sogar von ein, zwei oder drei Jahren durchaus gerechtfertigt. Denn die Lebensqualität von Mensch und Hund wird jedenfalls davon profitieren – und die Beziehung sowieso.

 

Und trotzdem fällt es HundehalterInnen so schwer, ihren Hund über einen gewissen Zeitraum zuverlässig für kleine und kleinste Schritte zu belohnen und damit einen guten Unterbau zu schaffen. Ein gutes Beispiel ist das Leinenführigkeitstraining . Gerade dabei sollte es doch einleuchtend sein: Wie kann der Hund verstehen, dass 100 Meter an lockerer Leine eine tolle Sache sind, wenn er nicht zunächst lernt, dass schon 1 Schritt an lockerer Leine spitze ist?

 

Geduld bringt Rosen – oder Ruhe ins Büro

Zwei Kundinnen – ein Problem. Beide Damen nehmen den Hund mit ins Büro. Beide Hunde bellen, wenn am Flur jemand vorbei geht. Ich schlage beiden vor – neben anderen begleitenden Maßnahmen – das Anzeigeverhalten des Hundes „Ich bell jetzt gleich!“ zu clicken und zu belohnen und für dieses Verfahren ein paar Tage einzuplanen bzw. nach Möglichkeit außerhalb der Bürozeiten mit einer Hilfsperson mit dem Training zu beginnen, wenn das untertags nicht möglich ist.

 

Kundin A, nennen wir sie Frau Mayer, verabredet sich nach Büroschluss mit mir. Gemeinsam beginnen wir mit dem Training, das sie dann selbständig fortsetzt. Nach wenigen Tagen berichtet Frau Mayer erfreut, dass sich das Problem in Luft aufgelöst hat. Bei kleinen Geräuschen am Flur hebt der Hund nicht einmal mehr den Kopf, bei größeren blickt die Hündin ihre Besitzerin an, wird gelobt und belohnt – und Ruhe ist.

 

Kundin B, nennen wir sie Frau Huber, lässt sich die Vorgangsweise gründlich erklären, um die Sache anzugehen. Beim nächsten Treffen erfahre ich, dass sie das Training nach 3 Tagen abgebrochen hat und zwar mit der Begründung: „Solange ich clicke ist es gut, aber wenn ich nicht clicke, macht sie genau so viel Theater wie vorher!“ Auf meine Antwort „Warum clicken Sie dann nicht?“ kam – Sie ahnen es – „Ich kann doch nicht lebenslang clickern!“ Nach 3 Tagen! Lebenslang?!

 

„Ich will euch mein Erfolgsrezept verraten: Meine ganze Kraft ist nichts als Ausdauer“ Louis Pasteur

Lebenslang belohnen

Inzwischen darf die kleine Hündin von Frau Huber nicht mehr mit ins Büro, weil die KollegInnen sich über die ständige Lärmbelästigung beschwert haben. Da stellt sich mir erneut die Frage, warum es einfacher ist, diesen Weg zu gehen, den Hund teuer beim Hundesitter unterzubringen oder womöglich abzugeben, als sich ein paar Tage, meinetwegen Wochen, damit auseinanderzusetzen. Frau Mayers Hund ist – nebenbei bemerkt – nach wie vor wohlgelitten und bereichert den Büroalltag.

 

Durchhalten

Vielleicht haben Sie selbst schon einmal versucht, eine Ihrer Gewohnheiten zu ändern, sich das Rauchen abzugewöhnen, weniger Schokolade zu essen oder aufrechter zu sitzen. Dann wissen Sie aus eigener Erfahrung, wie mühselig das sein kann. Dafür brauchen Sie eine gute Motivation und viel Durchhaltevermögen! Und das bei Veränderungen, die Sie sich selbst wünschen.

 

Bei unseren Hunden geht es um Veränderungen, die wir uns wünschen. Denn die Hunde selbst sind vermutlich mit ihrem derzeitigen Verhalten ganz zufrieden und sehen keine Veranlassung, daran etwas zu ändern. Umso wichtiger ist es, dass Sie für eine gute Motivation hinsichtlich des neuen Verhaltens sorgen – und dran bleiben!

 

Bleiben Sie dran, Sie werden sehen, es lohnt sich!

 

Herzlichst
Eure und Ihre
Karin Immler

 

NS: Wenn Sie Hilfe dabei brauchen, einen Trainingsplan zu erstellen, bin ich gerne für Sie da.

 

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