Zwar füllt er die ganz großen Hallen nicht mehr, der Zulauf zu seinen Shows ist aber immer noch groß – erneut gastiert der mexikanische Dogwalker in Österreich. Während ihm die Fans zujubeln und ihn mit Zähnen und Klauen verteidigen, setzen „die anderen“ auf Aufklärung. Die Aktion „Tausche Ticket gegen Training“, die bereits 2014 und 2017 für Aufmerksamkeit gesorgt hat, geht in die 3. Runde. Im Rahmen der Initiative für gewaltfreies Hundetraining, treten BloggerInnen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz erneut zu einer Blogparade an. Auch dieser Blogartikel ist Teil der Blogparade, der Startschuss dazu fiel hier.

 

Natürlich sind sie der Chef.

Aber müssen Sie deshalb ein Ekel sein?

 

Völlig richtig, jedes Schiff hat einen Kapitän! In unserer Welt mit all den Menschenregeln und der Menschenlogik wird es tatsächlich nur so funktionieren, dass im Mensch-Hund-Gespann Sie die Vorgaben machen. Ist das aber gleichbedeutend damit, dass Sie Ihren Hund drangsalieren, bedrohen, einschüchtern – im Pseudo-Fachjargon – “dominieren”? Ich denke nicht.

 

„Führung braucht Haltung“ unbekannt

Bleiben wir beim Chef. Wenn es Ihnen besser gefällt, setzen Sie gerne hier Vorgesetzter, Boss, Teamführer, Mannschaftskapitän, Kapellmeister, Regisseur, Schichtführer, Abteilungsleiter (alle immer w/m) ein, was immer Sie in diesem Zusammenhang bevorzugen. Wie wünschen Sie sich eine solche Person? Welche Eigenschaften muss diese mitbringen, um von Ihnen bereitwillig als tonangebend akzeptiert zu werden?

 

Tyrann oder Armutschgerl?

Keinesfalls, da bin ich mir ganz sicher, wünschen Sie sich einen cholerischen Tyrannen in dieser Funktion, der ohne Rücksicht auf Verluste nur darauf bedacht ist, seinen eigenen Kopf durchzusetzen. Ihre Bereitschaft, mit so jemandem zusammenzuarbeiten, wäre sicherlich nicht allzu groß.

Jemand, der ständig darauf bedacht ist, seinen Rang und seine Wichtigkeit heraus zu streichen, würde Ihnen ziemlich auf die Nerven gehen und Ihr Respekt wäre wohl enden wollend. Auf Privilegien herumzureiten, ständig zu meckern und zu nörgeln und nur die eigenen Verdienste anzuerkennen, kommt ebenfalls nicht gut bei uns an. In Wirklichkeit halten wir so eine Person für ein – auf gut österreichisch – Armutschgerl und bestimmt nicht für einen charismatischen Anführer.

 

Erst überfordert, dann bestraft

Wie würde es Ihnen gefallen, wenn Ihr Chef Sie ständig überfordert, Ihnen Aufgaben zuteilt, denen Sie nicht gewachsen sind, auf die man Sie nicht vorbereitet hat, Dinge von Ihnen verlangt, die Sie nicht gelernt haben, die Sie einfach nicht können? Wäre es Ihnen nicht lieber, Sie hätten einen Vorgesetzten, der weiß, was Sie können und wann Sie Unterstützung brauchen?  Der Sie rechtzeitig zur Fortbildung schickt, bevor Sie neue Aufgaben bekommen?

 

Halten Sie es für ein Zeichen von Führungsqualität, kleinlich und besserwisserisch zu sein und jede kleinste Verfehlung sofort zu maßregeln? Wäre beim Skizzieren dieses Textes jemand hinter mir gestanden und hätte mir bei jedem Tippfehler einen spitzen Finger in die Seite gebohrt, dann wäre dieser Blogartikel vermutlich niemals fertig geworden. Möglicherweise hätte ich nicht nur die betreffende Person, sondern auch den Laptop zum Teufel gewünscht und meine Motivation, eine guten Text zu schreiben, wäre schnell weniger geworden. Im schlimmsten Fall wäre mir durch eine solche Behandlung die Lust am Schreiben ganz und gar vergangen.

Das ist doch keine Gewalt!

Aber angenehm ist es auch nicht. Ehrlich gesagt tut es schon weh – also ist es irgendwie doch Gewalt. Und in dem Zusammenhang auch noch ziemlich überflüssig.

Von Dorothee Schneider stammt der Begriff der vorsorgenden und fürsorglichen Führerschaft. Das ist eine Formulierung, die mir sehr gut gefällt. Vorsorglich und fürsorglich – da ist richtig viel drin von dem, was ich mir von einem guten Vorgesetzten erwarte – und von einem guten Hundeführer, einer guten Hundeführerin.

 

Fürsorglich und vorsorglich

Vorsorge bedeutet nicht zwangsläufig, sich schon vorher Sorgen, aber durchaus sich rechtzeitig Gedanken zu machen. Welche Voraussetzungen braucht Ihr Mitarbeiter, um eine gewünschte Leistung erbringen zu können? Denken Sie zum Beispiel an den Kapitän einer Sportmannschaft. Der könnte es sich wohl kaum leisten, sein Team in einen Wettkampf zu führen, auf den es sich nicht gut vorbereiten konnte. Es wäre außerdem sehr unprofessionell von ihm, einen Spieler aufzustellen, der krank ist, panische Angst vor dem Gegner hat oder aus anderen Gründen völlig neben der Spur ist.

Der Teamkapitän würde sich auch beizeiten überlegen, wie er seine Mannschaft am besten motivieren kann, schließlich erwartet er tolle Leistungen. Für gute Rahmenbedingungen im Training zu sorgen, ist daher selbstverständlich.


Fürsorglich ist ein Wort, das für eine besondere Qualität in einer Beziehung steht. Fürsorglich bedeutet, sich aktiv um jemandes Wohl zu bemühen. Also, dass Ihnen nicht nur wichtig ist, wie es dem anderen geht, wie er sich fühlt, sondern dass Sie auch tatsächlich dazu beitragen, dass es dem anderen gut geht. Auch wenn eigene Wünsche und Bedürfnisse dafür erstmal in den Hintergrund gestellt werden müssen. Sie engagieren sich also für das Wohl Ihres Beziehungspartners. Und dies nicht aus Berechnung, nicht mit dem Gedanken “wenn ich jetzt das tue, dann bekomme ich nachher das”, sondern weil es Ihnen ein Herzensanliegen ist, zum Wohlbefinden des Gegenübers beizutragen.

Diese Fürsorglichkeit als Zeichen von Schwäche zu interpretieren, finde ich fatal. Gottseidank haben sich die meisten von uns die Fähigkeit zur Empathie bewahrt. Ein gutes Gefühl dafür, was wichtig und richtig ist.

Hunde, die im Sozialverband mit uns Menschen leben, sind auf unseren Schutz und unsere Fürsorge angewiesen, das sollten wir nie vergessen.

 

Ruhe, Sicherheit und ein allgemeines Wohlgefühl

Die meisten HundehalterInnen wünschen sich, dass ihr Hund sie liebt.  Sie träumen von einer innigen Beziehung, von gegenseitigem Verstehen, ja davon, dass ihr Hund genau weiß, wann sie Kummer haben und Zuspruch benötigen. Viele denken nicht darüber nach, ob sie sich ihrerseits auch so liebevoll verhalten. Manche meinen sogar, der Hund müsste sie lieben, alleine weil sie Menschen sind. Ist das nicht ein bisschen vermessen?

Doch was gehört wirklich zu einer guten Mensch-Hund-Beziehung?

Akzeptanz und Respekt

Akzeptanz und Respekt (selbstverständlich gegenseitig) sind wichtige und nicht zu unterschätzende Merkmale einer guten Beziehung. Beide beruhen darauf, den anderen so zu anzunehmen wie er ist, samt seinen Stärken und Schwächen, mit dem, was er kann – und auch mit dem, was er nicht kann.

Zuneigung

Sich dem anderen zuzuneigen, bedeutet Sympathie zu empfinden und zu zeigen, Stimmungen, Sorgen und Nöte zu erkennen, ansprechbar und erreichbar zu sein, wenn es notwendig ist. Zuneigung baut Brücken, während Überheblichkeit und Ignoranz sie einreißen.

Verantwortung

Wenn ein Hund in Ihr Leben kommt, dann haben Sie sich dafür entschieden. Eine bewusste Entscheidung, sich dieses Tieres anzunehmen und dafür verantwortlich zu sein.

Verantwortung, Zuneigung und Fürsorglichkeit stehen sich sehr nahe. Wenn Sie sich für einen Hund verantwortlich fühlen, dann geht es nicht nur darum, ihn zu füttern, zu tränken und ihm einen Schlafplatz zu geben. Sie sind auch dafür verantwortlich, dass es dem Tier gut geht, physisch und psychisch, dass es seinen Anlagen, Fähigkeiten und Talenten nach gefördert und gefordert wird und dass auch seinen Bedürfnissen nach Sicherheit, sozialer Anerkennung, Geborgenheit und Selbstermächtigung entsprochen wird.

Vertrauen und Verlässlichkeit

Sie möchten, dass Ihr Hund sich auf Sie verlässt und Ihnen vertraut, wenn es brenzlig wird? Dann beweisen Sie ihm, dass Sie ein verlässlicher Partner sind und lassen Sie ihn nicht im Regen stehen, wenn er Hilfe braucht. Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit stehen für Kompetenz, Beständigkeit und Sicherheit.

 

Humor

Eine gute Beziehung ist ohne Humor und Fröhlichkeit schwer vorstellbar. Humor ist eines der wichtigsten Attribute für Hundemenschen, um z.B. unbeschadet durch Pubertät und Adoleszenz zu kommen. Auch für das restliche Hundeleben ist es mehr als hilfreich, wenn Sie sich Ihren Humor bewahren. Zum Beispiel, um angesichts von Schlammpfoten auf dem neuen Teppich oder Hundehaaren im Geburtstagskuchen nicht auszuflippen.

 

Schwamm drüber!

„Sie haben es verdient, dass wir Ihnen Zeit und Möglichkeit geben, zu erlernen, was wir von ihnen erwarten – und natürlich unsere vollste Unterstützung dabei“ Karin Immler

Auch wenn Ihr Hund Unfug gemacht und sich richtig danebenbenommen habt, bleibt er doch Ihr Hund. Es ist ganz normal, dass Sie Ihren Lieblingsvierbeiner gelegentlich durch Sonne, Mond und Sterne schießen möchten, so ist das Leben. Aber ehrlich: Jetzt ist das Malheur ohnehin schon passiert. Es hat also gar keinen Sinn, den Hund tagelang zu ignorieren oder ihn womöglich wegzusperren. Verwenden Sie Ihre Energie lieber darauf, sich zu überlegen, was notwendig ist, damit sich eine solche Situation nicht noch einmal ergibt.

Und glauben Sie mir: Ihr Hund blamiert Sie nicht mit Absicht. Und schon gar nicht, weil er so dominant ist. Vermutlich hatte er einfach nicht die passende – aus unserer Sicht angebrachte – Strategie parat.

Motivation

Motivieren Sie, bestärken Sie, ermutigen Sie! Ein selbstbewusster Hund wird weder die Firma übernehmen noch die Weltherrschaft an sich reißen. Stattdessen wird er in vielen Situationen Lösungskompetenz zeigen, sich nicht von jeder Kleinigkeit irritieren lassen und ein souveräner Begleiter in Ihrem Alltag sein.

 

Großzügigkeit

Vielleicht denken Sie jetzt an Leckerchen. Ja, auch das ist nicht verkehrt. Sich beim Belohnen großzügig zu zeigen, ist ein bisschen wie ein Sparvertrag, von dem Sie später bequem die Zinsen abheben können. Was ich aber eigentlich meine, ist eine gewisse Großzügigkeit des Geistes. Lassen Sie Ihrem Hund Freiraum. Geben Sie ihm die Chance, auch einmal selbst zu entscheiden. Ständig gegängelt zu werden, ist kein gutes Gefühl. Und einen Hund zu völliger Abhängigkeit zu erziehen, ist keinesfalls der Beweis Ihrer Kompetenz als HundeführerIn, sondern degradiert Ihren besten Freund zum seelenlosen Befehlsempfänger.

 

Bauchgefühl

Seien Sie achtsam, wenn Ihnen jemand erklärt, Sie müssten Ihren Hund bestrafen, um ein bestimmtes Verhalten zu erreichen.
Hinterfragen Sie kritisch, wenn man Ihnen einreden will, Sie müssten sich permanent als unnachsichtiges Alphatier gegen den allgegenwärtigen Größenwahn Ihres Hundes durchsetzen.
Hören Sie auf Ihr Gefühl, wenn Ihnen jemand weismachen will, dass körperliche Züchtigung (Leinenruck, Stoßen, Schlagen, in die Weichteile stupsen etc.) zum normalen Umgang mit einem Hund gehört.

Menschen und Hunde gehören zusammen – in Freundschaft!

 

Erfreuen Sie sich an dieser Freundschaft –

das wünscht Ihnen von Herzen

Eure und Ihre

Karin Immler

 

Hörbeiträge zum Thema:

FAIR statt fies – Aufklärung tut not

TV-Hundetraining – Gefährliche Unterhaltung auf Kosten unserer Hunde

Tausche Ticket gegen Training 2.0

 

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