Vor ein paar Tagen erhielt ich einen Anruf, gefolgt von einem Beratungsgespräch, das mir nicht mehr aus dem Kopf geht. Eine Dame bat um Rat, obwohl sie selbst gar keinen Hund hat. Sie war ziemlich verzweifelt.
Die Geschichte ist folgende: Die bereits etwas ältere Dame geht gerne spazieren und ist auch mit dem Fahrrad unterwegs. Dabei begegnen ihr natürlich auch Hunde und hier beginnt ihr Problem. Die Dame, nennen wir sie Frau Müller, hat nämlich von Kindesbeinen an Angst vor Hunden.
Umsicht und Rücksicht
Was dann kam, hat mich wirklich erschüttert und verärgert. In meiner Hundeschule und in meinem persönlichen Umfeld erlebe ich die meisten HundehalterInnen als umsichtig und um Rücksichtnahme bemüht. Doch das scheint nicht die Regel, sondern eher die Ausnahme zu sein, zumindest im Erleben von Frau Müller.
Es gibt eine Straße in ihrer Nähe, die meidet Frau Müller so gut sie kann. Sie befürchtet nämlich, dass der Hund, der sie den ganzen Gartenzaun entlang wütend verbellt (auch wenn sie auf der anderen Straßenseite unterwegs ist), womöglich aus seinem Garten entkommen und sie angreifen könnte. Sie nimmt tatsächlich einen größeren Umweg in Kauf, um nicht am diesem Hund vorbeigehen zu müssen. Auch wenn die zugehörigen Menschen im Garten sind, bellt der Hund wie verrückt und niemand unternimmt etwas dagegen. Ein Hund kann durchaus lernen, PassantInnen zu melden, ohne sie Zaunlatte für Zaunlatte zu verbellen, das sei hier nur am Rande erwähnt. Gerade in dichter besiedelten Gegenden ist bestimmt auch die Nachbarschaft erleichtert, wenn HundehalterInnen diesen nicht allzu großen Trainingsaufwand auf sich nehmen.
Begegnungen mit Hunden an der Leine waren bisher für Frau Müller kein großes Problem. Sie verließ sich darauf, dass die Menschen ihre Hunde im Griff haben. Allerdings ist sie nicht mehr so zuversichtlich wie früher, nach einigen unangenehmen Erlebnissen durchaus verständlich. Offenbar ist es manchen Menschen völlig egal, wenn ihr Hund uneingeladen Vorbeikommende „begrüßt“. Vielleicht möchte Ihr Hund „nur spielen“. Frau Müller möchte das nicht, sie möchte keinesfalls mit irgendeinem Hund spielen – und ich übrigens auch nicht, soweit es um fremde Hunde geht. Wer Angst vor Hunden hat, wie Frau Müller, mag auch nicht beschnüffelt werden.
„Solange es geht, muss man Milde walten lassen, denn jeder kann sie brauchen“ Theodor Fontane
„Solange es geht, muss man Milde walten lassen, denn jeder kann sie brauchen“ Theodor Fontane
Bei unangeleinten Hunden steigt die Nervosität von Frau Müller ganz schnell an und sie bemüht sich um Abstand. Denn es passiert ihr leider des Öfteren, dass Hunde unangeleint zu ihr hin laufen, was per se schon nicht in Ordnung ist. Es ist auch bereits mehrmals vorgekommen, dass sie von einem Hund angesprungen wurde. Die Kleidung wurde beschmutzt und Frau Müller hatte natürlich große Angst, nicht nur vor dem Hund, sondern auch davor, zu stürzen. Schließlich ist sie nicht mehr die Jüngste.
Das geht nicht! Das geht gar nicht! Das ist einfach nicht in Ordnung!
Aufmerksam und vorausschauend
Wenn Sie Ihren Hund ohne Leine laufen lassen möchten, dann muss er
- gut abrufbar sein. Und Sie sind
- als verantwortungsbewusste HundehalterIn aufmerksam und vorausschauend unterwegs, damit sie rechtzeitig dafür sorgen können, dass Ihr Hund niemanden belästigt oder gar gefährdet.
„Es tut mir leid“
Sollte es doch einmal passieren und Ihr Hund erschreckt vielleicht in einem Moment der Unachtsamkeit jemanden, dann ist eine höfliche Entschuldigung angebracht. Etwas, worauf Frau Müller bis jetzt vergeblich gewartet hat. Ebenso wie auf das Angebot, die Reinigung für den verschmutzen Mantel zu bezahlen.
Entweder ignorieren die zum vierbeinigen Übeltäter gehörenden HundehalterInnen völlig, dass ihr Hund gerade jemanden belästigt, oder die erschrockene Passantin muss sich sogar noch zurechtweisen lassen. „Der Hund merkt, dass Sie Angst haben, darum führt er sich so auf!“.
Was für eine Zumutung: Selbst, wenn der Hund die Angst wahrnimmt und deshalb nervös wird, ist es Ihre Verantwortung als HundehalterIn, dass er sich höflich benimmt und eben Abstand hält. Es kann doch nicht angehen, dass Frau Müller jetzt auch noch selbst daran schuld sein soll, dass ein fremder Hund sie anspringt.
Menschen mit Cynophobie fürchten sich vor Hunden
Vorsorglich und rücksichtsvoll
„Rücksicht und Vorausschau sind zwei Blickrichtungen, die einander nicht ausschließen sollten“ Else Pannek
„Rücksicht und Vorausschau sind zwei Blickrichtungen, die einander nicht ausschließen sollten“ Else Pannek
Gerade in Zeiten wie diesen, in denen Hundehaltung vielerorts mit scheelem Blick beäugt wird, sind wir HundehalterInnen angehalten, uns mit Hund(en) vorsorglich und rücksichtsvoll zu benehmen.
Menschen lesen Zeitung und die vielen Berichte über Hundebisse in den letzten Monaten tragen bestimmt nicht zu einem gesteigerten Sicherheitsempfinden von Nicht-HundehalterInnen bei. Schon gar nicht bei jemandem, der ohnehin schon ängstlich gegenüber Hunden ist und bereits schlechte Erfahrungen gemacht hat, so wie Frau Müller.
Ich möchte jetzt nicht auf dem allgegenwärtigen Leinenzwang herumreiten – oder vielleicht doch? Gerade heute wurde ich auf dem Parkplatz eines Lebensmitteldiskonters Zeugin, als eine junge Frau ihren Malinoisrüden unangeleint über Grünstreifen und Parkplatz laufen ließ, ungeachtet der Menschen, die da unterwegs waren und den freilaufenden Hund misstrauisch beäugten. Das muss doch wirklich nicht sein. Man sollte sich schon ein bisschen überlegen, wo man seinen Hund leinenlos laufen lässt.
Toleranz ist keine Einbahnstraße
Wir HundehalterInnen beklagen uns oft über die mangelnde Toleranz von Nicht-HundehalterInnen. Wer jedoch wiederholt unter der Rücksichtslosigkeit von Hundemenschen leidet, wird dadurch bestimmt nicht toleranter. Rundherum werden die Rufe nach restriktiverer Gesetzgebung in Sachen Hundehaltung laut. Das bedeutet für uns, dass man uns noch viel genauer beobachten wird und Fehlverhalten Einzelner weitreichende Konsequenzen haben kann.
Doch abseits gesetzlicher Folgen liegt uns doch allen ein möglichst konfliktfreier Alltag am Herzen. Wir möchten nicht belästigt werden und wir erwarten, dass die Umwelt unsere Liebe zu Hunden akzeptiert und sich damit arrangiert. Dass sie unser Faible teilen, können wir nicht erwarten.
Mögen Sie Techno? Ich nicht!
„Leute, die keine Rücksicht nehmen, sind mit Vorsicht zu genießen“ Lilli U. Kreßner
„Leute, die keine Rücksicht nehmen, sind mit Vorsicht zu genießen“ Lilli U. Kreßner
Meine Nachbarn sind Fans von Techno Musik, mein Interesse, an diesem Hobby teilzuhaben, geht gegen Null und ich erwarte, dass sie Rücksicht auf mich nehmen und nicht zu laut werden. Umgekehrt haben diese keinen Drang dazu, sich mit meinen Hunden anzufreunden und dürfen von mir erwarten, dass sie nicht von ihnen belästigt werden.
Frau Müller tut keinem Hund etwas zu leide, sie war in ihrem Kummer über die Vorkommnisse immer noch höflich und hat sich auch bei ihren Erzählungen nicht grob, kränkend oder überheblich geäußert. Nur ratlos. Noch! Wer weiß, ob sich das nicht beim nächsten Vorfall ändert und Frau Müller dann doch für permanenten Maulkorbzwang, das Verbot bestimmter Hunderassen oder sonstige Restriktionen eintritt. Das sollten wir nicht riskieren.
Meiner Meinung nach tun wir gut daran, auf Höflichkeit und Rücksicht zu achten und zu respektieren, dass nicht alle Menschen Hundenarren sind – auch wenn wir das gar nicht verstehen können. Und wenn wir verhindern wollen, dass die Rahmenbedingungen für die Hundehaltung immer noch schwieriger werden, dann bleibt uns auch gar nichts anderes übrig.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein konfliktfreies HundehalterInnendasein.
Herzlichst
Eure und Ihre
Karin Immler
Hier noch einmal der Link zum Artikel über Cynophobie.
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Hallo
Hunde entwickeln sich viel schneller als Menschen.
Mein einjähriger Presa-Canario-Rüde wusste bereits nach einem halben Jahr, was er darf und was nicht.
Kinder brauchen Jahre, bis sie mindestens mal die grundsätzlichen Dinge kapiert haben…
Warum werden wir erwachsenen Hundehalter jahrelang genötigt, das unakzeptable Verhalten vieler Kinder zu ertragen, und wenn sich unsere Hunde einmal daneben benehmen, dann kommt sofort das Geschrei nach Polizei und Maulkorb-Zwang.
Lieber die Kinder so lange anleinen, einsperren oder knebeln und fesseln, bis sie anderen nicht mehr auf den Sack gehen und die Hunde frei kaufen lassen!