Frauen in (Hunde-)Führungsposition

Ich lese gerne Blogs, nicht nur zu Hundethemen, und dabei bin ich auf eine Blogparade gestoßen, die den Titel trägt „Die Welt braucht Frauen – Was tust du, um Frauen zu stärken?“

Sofort habe ich mich an einen Beitrag erinnert, den ich vor ein paar Jahren geschrieben habe, Die Frau und der Hund, Hundeerziehung ist weiblich.  8 Jahre ist dieser Beitrag alt und beim Durchlesen, wurde mir klar, dass sich in diesen 8 Jahren erneut sehr viel verändert hat.

  

Die Welt braucht Frauen

Ja, es gibt sie, diese starke weibliche Seite in der Hundeszene. Sie ist bunt und schrill, leise und dezent, aktiv und zurückhaltend – und nicht mehr wegzudenken. Die Liste der Kolleginnen im Hundebusiness wird immer länger, die Fachbuchautorinnen in Sachen Hund werden immer mehr, und das nicht nur im deutschsprachigen Raum. Die Vortragenden bei Seminaren und in Ausbildungen sind zum Großteil weiblich und im öffentlichen Raum sieht man wesentlich mehr Frauen mit Hunden als Männer.

Und doch ist eine starke Gegenbewegung spürbar, die typischen „Abrichtewarte“ sind wieder da – und vielleicht stärker denn je. Das Fernsehen bietet ihnen in diversen Formaten große Bühnen. Abgesehen vom Outfit, das mich mitunter schmunzeln lässt, weil es alle Klischees bedient, ist es vor allem die Sprache, mit diesem besonderen Vokabular, das Jahrzehnte überdauert hat, die auffällt. Zwar finden sich in dieser Szene auch öffentlichkeitswirksame Akteurinnen weiblichen Geschlechts, aber die Mehrheit der Repräsentanten sind Männer.

 

Die Sache mit der Dominanz

Wenn ich Worte wie Dominanz, Rangordnung und Rudel lese oder höre, weiß ich schnell, dass ich in einer ganz dunklen Ecke des Patriarchats gelandet bin. Dabei spielt es gar keine Rolle, dass beispielsweise die Dominanztheorie bereits wenige Jahre nach ihrer Veröffentlichung widerrufen wurde und dass weder Rangordnungs- noch Rudelgedöns wissenschaftlich haltbar sind.

Mit Forschungsergebnissen hält sich diese Sorte HundetrainerIn ohnehin nicht lange auf. Ein Großteil der Forscher in Sachen Hund sind übrigens ForscherINNEN, zum Beispiel am Clever Dog Lab in Wien oder im Wolf Science Center in Ernstbrunn. Das nur so nebenbei.

 

Toxische Männlichkeit und der Alphawolf

Ein geläufiger Begriff ist neuerdings die „toxische Männlichkeit“, von der es durchaus Querverbindungen zu den Alphawolftheorien gibt, sehr spannend.

Immer wieder beschäftigt mich die Frage, warum diese abstrusen und überkommenen Theorien sich so hartnäckig halten und sogar wieder deutlich an Boden gewinnen. Eine Erklärung ist, die Schuldfrage ist geklärt und der Mensch damit entlastet. Wenn ohnehin der vermaledeite Hund Schuld hat, weil er stur, renitent, faul, dominant oder sonst was ist, ist der Mensch aus dem Schneider. Kein Grund mehr, seine eigene Rolle zu überdenken, sein Verhalten zu reflektieren und seine Vorgangsweise zu verändern. Schließlich ist der Hund ja selbst dafür verantwortlich, wenn er Ärger bekommt. Warum benimmt er sich denn so? Muss er ja nicht! Der „Ärger“ für den Vierbeiner beginnt dann mit Lautstärke, und entwickelt sich rasch in Richtung Gewalt. Erschrecken, Einschüchterung, Bedrohung und schließlich körperliche Gewalt als Ausdruck der Überlegenheit des Menschen?

Wer in dieser Welt zuhause ist, sieht womöglich tatsächlich seine Autorität durch einen 4 Monate alten Welpen (ein Baby!), der Probleme mit seiner Beißhemmung hat, bedroht und muss diese mit massiver Gewaltandrohung oder gar – anwendung verteidigen. Ebenso traurig wie lächerlich!

 

Gewaltanwendung ist simpel, anspruchslos und für den Zuschauer spektakulär (VÖHT)

Frauen fühlen sich oft intuitiv mit dieser Herangehensweise wenig wohl. Sie haben ein gutes Gespür dafür, dass der Welpe nicht nur ein zu klein geratener Hund, sondern ein Baby ist und entsprechende Fürsorge benötigt. In vielen Fällen ist es das Umfeld, das sie zu einem bestimmten Umgang, zu bestimmten Methoden nötigt, der Partner, die Nachbarn, die Arbeitskollegen. „Du musst dem Hund zeigen, wer der Chef ist!“ „Der tanzt dir doch auf der Nase herum!“

 

 

Ein guter Chef schreit nicht

Dabei wissen wir doch alle, was einen guten Chef (nicht) ausmacht. Lautstärke, Rücksichtslosigkeit und Unhöflichkeit haben gar nichts mit Führungskompetenz zu tun. Es sind Dinge wie Klarheit, Zuverlässigkeit und Kommunikationsfähigkeit, ein guter Blick für Potentiale und auch die Fähigkeit, über manches hinwegzusehen.

Man unterstellt Frauen, stärker auf Harmonie, Vertrauen und emotionale Nähe bedacht zu sein. Das schließt durchaus auch den Familienhund mit ein. Soft Skills sind bei Frauen laut Wissenschaft auch wirklich deutlich ausgeprägter als bei Männern.

 

Soft Skills im Hundetraining

Was haben nun diese Soft Skills mit Hundetraining zu tun?

Wenn wir gemeinsam einen Blick auf einige dieser Soft Skills werfen, werden Sie rasch verstehen, worauf ich hinausmöchte.

Kommunikationsfähigkeit: Die Fähigkeit, sich klar und effektiv auszudrücken und zuzuhören, sowohl verbal als auch nonverbal. Hunde sind Weltmeister der Kommunikation – auch mit uns, wenn wir bereit sind, hinzuschauen und ihre Sprache als solche zu erkennen.

Empathie: Hunde haben Bedürfnisse und Gefühle. Sie empfinden Angst, Unsicherheit, Freude und Übermut wie wir. Die Bereitschaft, auch die Perspektive des Hundes zu sehen, erleichtert die Zusammenarbeit und fördert das Verständnis.

Teamfähigkeit: Ein Team arbeitet zusammen, unterstützt sich gegenseitig und ist zu Kompromissen bereit, um gemeinsam ans Ziel zu gelangen.

Fähigkeit zur Konfliktlösung: Konflikte passieren, sie gehören zum Leben dazu. Wer bereit ist, Lösungen zu finden, die für alle Beteiligten akzeptabel sind, vermeidet Eskalationen.

Selbstbewusstsein und Selbstmanagement: Sich seiner eigenen Stärken und Schwächen bewusst zu sein, sich selbst zu motivieren, zu organisieren und mit Herausforderungen umzugehen sind wichtig Voraussetzungen für eine Führungsperson.

Führungskompetenz: Wer in der Lage ist, andere zu motivieren, zu inspirieren und zu leiten, dabei bereit ist, Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen, verfügt über echte Führungskompetenz.

 

Einen Hund führen

Ich mag das Bild der fürsorglichen und vorsorgenden Führerschaft des Menschen. Es schließt Umsicht, Vertrauenswürdigkeit und Kompromissbereitschaft mit ein und hat so eine „elterliche“ Komponente. Lauter Aspekte, die ich in meinen Beratungen, meiner Hundeschule und in meinen Angeboten zu berücksichtigen versuche.

Die meisten meiner Kundinnen bringen alles mit, was sie dafür brauchen. Doch manchmal fehlt der Mut, der entscheidende Anstoß oder ein bisschen Unterstützung, all das zuzulassen und zu leben – auch mit dem Hund.

 

Höher pinkeln als der Hund

Einige Seufzer der Erleichterung habe ich in Erinnerung, weil es plötzlich nicht mehr notwendig war, den vor Müdigkeit quengelnden Welpen zu maßregeln oder mit tiefer Stimme zu sprechen (weil Hunde ja angeblich tiefe Männerstimmen autoritär finden).

Ich bin Jahrgang 1963 und mit einer feministischen Mutter aufgewachsen. Ich habe nicht ein einziges Mal von ihr gehört, dass ich irgendetwas nicht könnte oder nicht sollte, weil ich ein Mädchen bin. Dafür bin ich zutiefst dankbar, denn es hat mich mutig und offen werden lassen. Das ist nicht selbstverständlich. Allein die Vorstellung, Hunde würden nur den als Chef akzeptieren, der höher pinkeln kann, als sie selbst (nicht lachen, solche Aussagen geistern tatsächlich noch herum), lässt mich laut auflachen. Das ist genauso absurd, wie die Vorstellung, ich müsste immer vor dem Hund essen, um meine Vormachtstellung als Alpha nicht zu gefährden.

 

„Ich mache es nicht gerne, den Hund an der Leine zu reißen, ihn in die Seite zu stoßen oder ihn anzuschreien, aber XY hat gesagt, es geht nur so!“ „Ich fühle mich nicht gut dabei, wenn ich den Hund wegsperre, aber mein Mann/Vater/Arbeitskollege meint, das muss so sein.“

 

Wenn es sich mies anfühlt, dann ist es mies!

Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl. Das ist es, wozu ich meine Kundinnen ermutigen möchte. Ich habe mit vielen klugen Frauen zu tun – 95 % meiner Kundschaften sind weiblich – und die meisten davon haben ein richtig gutes Gefühl für Ihren Hund. Wenn – ja, wenn – sie es sich zugestehen!

Und, falls Sie sich jetzt denken, ja klar – aber!

Keine Sorge, ein empathischer, fairer und fröhlicher Umgang mit dem Hund bedeutet keinesfalls, dass Sie einen unerzogenen Hund an Ihrer Seite haben müssen, der alle nervt und Sie in der Nachbarschaft zur Persona non grata werden lässt.

 

 

Gutes Hundetraining berücksichtigt die Bedürfnisse aller und macht Sie zur besten Trainerin Ihres Hundes. Es bereitet Sie beide auf Konfliktsituationen vor und ermöglicht Ihnen, rechtzeitig einzuwirken, BEVOR unangenehmes, unerwünschtes Verhalten überhaupt erst entsteht. Je besser Sie lernen, Ihren Hund zu lesen, sein Talent zur Kommunikation zum beiderseitigen Vorteil zu nutzen, umso einfacher werden Umgang und Erziehung. Ihre Empathie, Ihre Managementqualitäten und vor allem das Vertrauen zwischen Ihnen und Ihrem vierbeinigen Partner machen einen guten Teil Ihrer Führungskompetenz aus. Sie beide als Team! Miteinander statt gegeneinander.

 

Klarheit ist gefragt

Das alles bringen Sie bereits mit. Wo es manchmal ein bisschen Nachhilfe braucht, das ist die Klarheit, die Deutlichkeit und Verbindlichkeit des Rahmens, den Sie vorgeben (müssen). Viele Frauen neigen zum Konjunktiv, im Reden und im Denken – aus Tradition, aus Höflichkeit, genetisch – ich weiß es nicht. Konjunktiv und Führungskompetenz sind kein gutes Team. Besser sind klare Aussagen – und diese müssen weder laut noch grob sein. Das darf ein Lernprozess sein, bei dem ich gerne unterstütze.

 

Die (Hunde)Welt braucht Frauen

Um also zum Ausgangspunkt dieses Beitrags zurückzukommen: Ich helfe Frauen dabei, Ihre Führungskompetenz zu entdecken und/oder zu entwickeln und sich dabei auf ihre ureigenen Stärken zu besinnen. Unsere Zeit ist überreif für einen selbstbewussten, empathischen und bindungsorientierten Umgang mit Menschen und mit Hunden, für ein stärkendes und gedeihliches Miteinander.

 

herzlichst
Eure und Ihre
Karin Immler

 

Zur Blogparade geht es hier: https://susanne-berg.de/aufruf-zur-blogparade/

#wieichfrauenstärke

 

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Studien zu Soft Skills und Geschlechterunterschieden

  • Metaanalysen über geschlechtsspezifische Unterschiede in der Empathie (z. B. von Karniol et al., 2003) zeigen, dass Frauen tendenziell empathischer sind, was jedoch durch Erziehung und kulturelle Normen verstärkt wird.
  • Untersuchungen zur Kommunikationsfähigkeit (z. B. von Hall et al., 2016) haben gezeigt, dass Frauen in verbaler Kommunikation und aktiven Zuhörfähigkeiten im Durchschnitt höhere Punktzahlen erzielen als Männer.
  • Forschung zu Führung und Geschlecht (z. B. von Eagly und Johannesen-Schmidt, 2001) hebt hervor, dass Frauen häufiger als Männer transformativ führen, während Männer häufiger transaktionale Führungsansätze verwenden.