Grenzen contra Leckerchen – oder Hirn statt Muskeln

Interessanterweise hält sich in manchen Kreisen der Hundewelt ein Gerücht besonders hartnäckig: WattebäuschchenwerferInnen, ClickertrainerInnen und ähnlich sonderbare Exemplare der Gattung HundehalterInnen erziehen ihre Hunde antiautoritär. Oder – so lautet eine viel bemühte Formulierung – sie setzen ihren Hunden keine Grenzen.

Hundehaltung ohne Grenzen

Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie das gehen soll. Hundehaltung ohne Grenzen zu setzen. Ich glaube, nein ich bin davon überzeugt, dass auch Menschen, die freundlich mit ihren Hunden sind, die gerne und reichlich belohnen und denen das Konzept der positiven Bestärkung vertraut ist, Grenzen setzen. Die Frage ist nur, auf welche Weise sie das tun.

In jedem Sozialverband, in jeder Gruppe, in jedem Verein, gibt es Grenzen. Grenzen, die  für die Gemeinschaft gelten, und die für jeden einzelnen. Egal ob Sie sich im Kollegenkreis befinden, oder innerhalb der Familie, ob Sie in Ihrem Sportverein oder im Autobus sind, es gibt immer und überall Grenzen, die Sie (und auch die anderen) nicht überschreiten dürfen. Dort und da gibt es Anschlagtafeln, wie man sich zu benehmen hat oder man bekommt ein (inzwischen virtuelles) Heftchen mit den Vereins- oder Firmenregeln in die Hand gedrückt.

Familiäre Grenzen

„Unsere Möglichkeiten sind begrenzt. Von dem, was wir für unmöglich halten“  Ernst Ferstl

Auch in der Familie gibt es Grenzen. Ihr Partner/Ihre Partnerin tut gut daran, gewisse Grenzen Ihnen gegenüber nicht zu überschreiten, ebenso die Kinder – und vice versa. Allerdings plärren wir den anderen nicht ständig ins Gesicht, dass sie nur ja diese Grenzen respektieren müssen. Im besten Fall setzen Sie Grenzen, indem Sie klare Vorgaben machen. In der Firma gibt es bestimmte Umgangsformen und Verhaltensregeln, auch in der Theatergruppe oder im Kaffeehaus.  Und eben auch in der Familie.

Stellen Sie sich vor, Sie würden jedes Mal drohen oder schreien oder Ihren Schatz einfach beiseite drängen, wenn er oder sie etwas tut, was Sie nicht mögen. Und stellen Sie sich weiter vor, Sie würden das fortgesetzt tun, ohne Ihrem oder Ihrer Herzallerliebsten jemals vernünftig zu erklären, was denn da so furchtbar dran ist und wie es gescheiter wäre.  Immer nur „Tu das bloß nicht!“ Allzu viele Verbote sorgen für Unlust und Meideverhalten – auch bei uns.

Grenzen aus Rücksicht

Natürlich gibt es Grenzen für meine Hunde. Klarerweise dürfen sie nicht unentwegt tun und lassen, was sie möchten. Das Gesetz sorgt für Grenzen, die wir einzuhalten haben. Die Höflichkeit unseren Mitmenschen gegenüber, Rücksichtnahme in Flur und Feld und unser Sicherheitsbedürfnis für einige weitere. Selbstverständlich gibt es Regeln, an die meine Hunde sich halten müssen – in ihrem und in meinem Interesse.

Grenzen im Notfall

Und natürlich gibt es Notfälle. Es gibt diese Situationen, in denen Sie den Hund einfach zurückreißen müssen, damit er nicht unter die Räder kommt. Und – ja – es gibt auch die Situationen, in denen Ihnen die Nerven durchgehen und Sie den Hund anschreien – oder Ihren Schatz – oder Ihre KollegInnen. Erziehungstechnisch bringt das allerdings gar nichts und der Beziehung tut es auch nicht gut. Aber naja, es passiert halt!

Ich lege großen Wert darauf, dass die Hunde die geltenden Regeln kennen und so viel Unterstützung bekommen, wie sie brauchen, damit sie lernen können, sich daran zu halten. Die Leine ist eine solche Grenze und der Fairness halber (und weil es sonst ziemlich mühsam wird), sollte Ihr Hund Gelegenheit haben, zu erlernen, wie er ordentlich an der Leine geht.

Und wenn er etwas lernen soll, der Hund, dann bitte am besten über positive Bestärkung mit Wattebällchen und Leckerchen. Erstens, weil es Freude macht und zweitens, weil es funktioniert!

Wenn Sie nicht wollen, dass Ihr Hund bei Tisch bettelt, dann bringen Sie ihm bei, was er stattdessen tun soll, beispielsweise auf seinem Platz abwarten bis die Mahlzeit vorbei ist.  Und bis er das erlernt hat, sorgen Sie durch kluges Management dafür, dass er gar nicht betteln kann. Ich halte das für effektiver und angenehmer, als den Hund anzuschreien oder sonst wie zu maßregeln, weil er doch bettelt.

Wenn Sie nicht wollen, dass Ihr Welpe ins Kinderzimmer läuft, dann schließen Sie die Türe bis er groß genug ist und Sie entsprechend mit ihm geübt haben. Das erachte ich als vernünftige Grenze.

Diese Verbissenheit, mit der manche Menschen ihren Hunden die Grenzen aufzeigen (wollen), finde ich erschreckend. Noch dazu, wenn das allzeit vermaledeite Dominanzgeschwafel dahintersteckt. Da muss dann ein Hundebaby „Grenzerfahrungen“ machen, weil es sonst womöglich die Weltherrschaft übernimmt! Ehrlichgesagt denke ich bei „Grenzen setzen“ eher an die Grenzen, die manche HundehalterInnen daran hindern, ihren Hund vernünftig zu behandeln und fair mit ihm umzugehen.

Grenzen der Macht?

„Es gibt keine Grenzen. Weder für Gedanken, noch für Gefühle. Es ist die Angst, die immer Grenzen setzt“ Ingmar Bergmann

Ist dieses krampfhafte Festhalten an Grenzen nicht ein Zeichen der Unsicherheit, der Angst? Geht es nicht eher um  kleinliches Machtdenken, das auf Kosten der Hunde befriedigt werden soll. Sind es nicht die eigenen Begrenzungen, die wir unseren Hunden aufzwingen wollen?

Wie gesagt, es gibt Grenzen, mehr als genug sogar, für uns und für unsere Hunde sowieso. Entschuldigung für unfreundliches, unfaires Verhalten sind sie aber nicht. Meine Hunde müssen einige Grenzen einhalten – ebenso wie ich selbst. Aber nur dort, wo es unbedingt sein muss. So viel Freiheit wie möglich, so viel Grenzen wie nötig!

Grenzenlose Freude an und mit Ihrem Hund wünscht Ihnen

Herzlichst
Eure und Ihre
Karin Immler

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