Vor einiger Zeit habe ich für das Magazin Your Dog eine Kolumne geschrieben, in der es um ganz spezielle Worte ging, und welchen Klang sie in der Hundeszene haben.  „Konsequenz“ zum Beispiel oder „Kommando“. Heute geht es um ein weiteres Wort, dass sehr unterschiedliche Gefühle hervorruft: Verantwortung.

Ein großes Wort, ja das ist richtig. Aber was steckt tatsächlich dahinter? Was bedeutet Verantwortung im Kontext der Hundehaltung? Oder anders gefragt, was ist ein verantwortungsvoller Hundehalter, eine verantwortungsvolle Hundehalterin?

 

Was ist Verantwortung?

Das Wirtschaftslexikon Gabler definiert Verantwortung wie folgt:

Mit Verantwortung wird der Umstand bezeichnet, dass jemand gegenüber einer Instanz für sein Handeln Rechenschaft abzulegen hat. Der Begriff Verantwortung entstammt ursprünglich dem Rechtsbereich und wurde dann im christlichen Sprachgebrauch auch als Rechenschaftspflicht des Menschen gegenüber Gott oder dem eigenen Gewissen ausgelegt.

 

Gesetze, Verordnungen, Zäune – und Tulpenzwiebeln

„Wo alles klappt, übernimmt man gern Verantwortung“ Erhard Horst Bellermann

Als Hundemensch haben Sie eine ganze Menge Verantwortung. Zunächst einmal dem Gesetz gegenüber: Sie sind dafür verantwortlich, dass Ihr Hund gegen kein Gesetz verstößt bzw. Sie nicht mit ihm. Das bedeutet, dass Sie die Leinenpflicht einhalten und den Hundekot entsorgen, ein Busticket für Ihre Fellnase kaufen und ihn mit Maulkorb auf der Nase in den Bus mitnehmen. Sie lassen Ihren Hund impfen und ihm einen Chip einpflanzen, der ihn identifizierbar macht. Sie zahlen die teils horrende Hundesteuer und sogar eine spezielle Hundehaftpflichtversicherung – für den Fall der Fälle.

 

Die Verantwortung Ihren Mitmenschen gegenüber geht darüber hinaus und wird in unserer engen Welt auch immer deutlicher. Sie sind dafür verantwortlich, dass Ihr Hund, niemanden belästigt oder in Gefahr bringt, dass er nichts und niemanden beschmutzt, keine Löcher gräbt, die Wände im Hausflur oder die Kleiderständer in Geschäftsstraßen nicht markiert, Grundstücksgrenzen auch ohne Zaun respektiert und keine Tulpenzwiebeln ausgräbt.

 

Wenn Sie Ihre Verantwortung diesbezüglich nicht wahrnehmen, dann sind Konflikte vorprogrammiert. Denn vor allem im städtischen Bereich können Sie nicht mit allzu großer Toleranz Ihrer Umgebung rechnen.

 

Wir sind nicht alleine auf der Welt

Auch fremden Hunden gegenüber haben Sie Verantwortung. Sie zu behelligen, bedrängen, anzumotzen oder gar anzufallen, gilt es im Rahmen dieser Verantwortung  zu „verunmöglichen“ (ja, das Wort gibt es tatsächlich!). Nachbars Katze unbehelligt zu lassen, die Kaninchen im Garten gegenüber und auch die Enten am Weiher im Stadtpark – auch dafür sorgen Sie im Rahmen Ihrer  Verantwortung (sehr zum Missfallen Ihrer Fellnase).

Die Liste ist ganz schön lang – und in keiner Weise vollständig. Doch etwas Entscheidendes fehlt noch: Die Verantwortung Ihrem Hund gegenüber.

 

Ihr Hund – Ihre Verantwortung

Worin besteht nun die Verantwortung Ihrem Hund gegenüber? Ich bediene mich im Folgenden des Modells von Claudia Matten von easy-dogs.net, die die Bedürfnisse unserer Hunde in 5 Bereiche unterteilt:

  1. Grundbedürfnisse: hochwertiges Futter, sauberes Wasser, ca. 17-20 Stunden täglich Schlaf und Ruhepausen, ausreichend Gelegenheiten sich zu lösen, medizinische Versorgung und Pflege, körperliche und geistige Auslastung sowie Bewegung
  1. Sicherheitsbedürfnisse: körperliche Unversehrtheit, Lebenssicherheit, verlässliche Bezugspersonen, verlässliche Regeln, warmer Schlafplatz und einen Rückzugsort
  1. Soziale Bedürfnisse:Familienanschluss und Kontakt, angenehmer Sozialkontakt mit anderen Hunden (je nach Hund), Sexualität und Fortpflanzung
  1. Positiven Zuspruch und Geborgensein: Lernen und Weiterentwicklung (Training), positiven Zuspruch und Lob, Liebe, Geborgensein, Ausleben genetisch fixierter Verhaltensweisen unter kontrollierten Bedingungen (z.B. im gemeinsamen Spiel)
  1. Selbstverwirklichung und Individualität: individuelle Persönlichkeit ausleben, Freiräume für eigenständiges Handel, freie Entfaltung

Das gibt Ihnen als verantwortungsvolle HundehalterIn eine ganze Menge zu tun.

 

„Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast“  Antoine de Saint-Exupery

Punkt 1) Grundbedürfnisse gilt es zu erfüllen –  Futter, Wasser und Bewegung, auch medizinische Versorgung. Das hat sich schon herumgesprochen.

Unter Punkt 2) Sicherheitsbedürfnisse wird es schon schwieriger: Körperliche Unversehrtheit ist in der Gewaltfrei-Szene zwar bereits Standard. Verlässliche Regeln aufzustellen und zu kommunizieren und vor allem eine verlässliche Bezugsperson zu sein, daran mangelt es allerdings in vielen Mensch-Hund-Gespannen.

 

No Sex – no fun

Auch wenn es um das Bedürfnis nach Sexualität und Fortpflanzung geht, versagen wir – aus der Sicht unserer Hunde – kläglich. Andererseits ist es Teil unserer Verantwortung, die Anzahl unerwünschter und ungeliebter Hunde nicht durch ungehemmte Fortpflanzung explodieren zu lassen.

 

Beachtenswert erscheinen mir auch die unter Punkt 4) Positiver Zuspruch und Geborgensein genannten Aspekte:  Lernen und Weiterentwicklung. Die Erfüllung dieser Bedürfnisse wird nicht nur vielen Gehöfthunden weitgehend unterschlagen, auch anderswo wird Erziehung, Training und artgerechte Beschäftigung noch immer für überflüssig erachtet. Diese Haltung trifft nicht nur unzählige Klein- und Kleinsthunde sondern auch Vertreter aller anderer Rassen.

 

Demgegenüber stehen die HundehalterInnen, die alles und jedes kontrollieren wollen und deren Hunde keine Möglichkeit haben, ihre individuelle Persönlichkeit zu entwickeln und sich frei zu entfalten. Mit Verantwortung hat das nichts zu tun. In vielen Fällen sind das Hunde, deren Gehorsam ganz fantastisch ist, die aber keine Freude am gemeinsamen Tun mit ihrem Menschen haben (können). Punkt 5) Selbstverwirklichung und Individualität bleiben diesen Hunden verwehrt.

 

Verantwortung als Kür statt Pflicht

„Sieh, daß du Mensch bleibst. Mensch sein ist von allem die Hauptsache. Und das heißt fest und klar und heiter sein, ja heiter, trotz alledem“  Rosa Luxemburg

Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass Sie als HundehalterIn „nach allen Himmelsrichtungen“ verantwortlich sind. Keine leichte Aufgabe, beileibe nicht! Aber auch keinesfalls etwas, dass Sie unter Druck setzen und einschränken muss.

[bctt tweet=“Eher halte ich es für eine Art Ehrensache, dass wir uns verantwortungsvoll um alle annehmen, die sich in unserer Obhut befinden, egal ob es sich dabei um Zwei- oder um Vierbeiner handelt.“ username=“ImmlerKarin“]

Also keine Pflicht, sondern vielmehr die Kür, die auszuführen Ihnen umso leichter fallen wird, je mehr Sie mit Herz und Verstand, mit Empathie und offenen Augen durchs Leben gehen.

 

Ich wünsche Ihnen viel fröhliches Wedeln in Ihrem Leben und freue mich über Kommentare und Anregungen.

Herzlichst
Eure und Ihre
Karin Immler

 

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